"Zehnt" Was ist das ?

Als Zehntscheune oder Zehntscheuer wurde im Mittelalter ein Lagerhaus zum Aufbewahren der Naturalsteuer Zehnt bezeichnet.

Dafür wurden in Dörfern und Städten spezielle große Scheunen gebaut, die vielfach nach der Kirche die größten Bauwerke eines Dorfes darstellten.

Der Begriff Zehnt, Zehnter, der Zehnte (auch Kirchenzehnter; lat.: decenia, mittelniederdt.: teghede) bezeichnet eine etwa zehnprozentige traditionelle Steuer an eine religiöse (z.B.: Tempel, Kirche) sowie weltliche (König, Grundherr) Institution.

Eine solche Abgabe war bereits im Altertum in verschiedenen Kulturen nicht nur des Orients bekannt und war über das Mittelalter bis in die frühe Neuzeit üblich.


Der Zehnte im Alten Testament

Bereits der König und Hohepriester Melchisedek erhält von Abraham den Zehnten als freiwillige Abgabe - bereits vor dem mosaischen Gesetz.

Das spätere mosaische Gesetz schreibt dann vor, dass die Israeliten dem Herrn einen Zehnten "vom Ertrag des Landes und den Früchten der Bäume" sowie von den Rindern und Schafen geben sollen. Dieser Zehnte war zum Dank für das gedacht, was Gott einem im Jahr "geschenkt" hat und für den Unterhalt des Stammes Levi, dem der Tempeldienst zugewiesen war und der deshalb keinen Landbesitz hatte. Die Naturalabgabe konnte auch durch eine Geldgabe ersetzt werden, nur musste der Betrag um ein Fünftel höher sein. Grundsätzlich war der Betrag zum Heiligtum zu bringen, aber in jedem dritten Jahr wurde der Zehnte vor Ort den Leviten und Armen zur Verfügung gestellt.

Diese Zehntvorschriften wurden allerdings längst nicht immer und nicht immer vollständig beachtet - oder ins Extreme geführt (die Pharisäer gaben sogar den Zehnten von den Küchenkräutern).


Der Zehnte im Christentum

Viele Gläubige meinen, im Neuen Testament würde von den Christen kein Zehnter gefordert, sondern nur eine freiwillige Unterstützung armer Mitchristen und armer Gemeinden. Dagegen spricht jedoch die Stelle in Mat. 23,23, wo Jesus am Zehnten fest hält.

In der Frühzeit des Christentums verlangten verschiedene Kirchenväter von den Gläubigen einen Zehnten auf freiwilliger Basis. Erstmals gesichert in der Vita Severini als Christenpflicht erwähnt, wurde er im 8. Jahrhundert als Zwangsabgabe eingeführt.

In einem Schreiben des Papstes Gregor II. vom 1. Dezember 722 an Bonifatius heißt es: Aus den Einkünften der Kirche und den Opfergaben der Gläubigen soll er [Bonifatius] vier Teile machen: Einen davon soll er für sich behalten, den zweiten unter den Geistlichen verteilen entsprechend ihrem Eifer in der Erfüllung ihrer Pflichten, den dritten Teil soll er an die Armen und Fremden geben, den vierten soll er aber für den Kirchenbau zurücklegen." Papst Zacharias schrieb 748 einen Brief an vornehme Franken, in dem der Zehnt als bereits bestehend genannt wurde: "Was aber die Zehnten der Gläubigen betrifft, die in den Kirchen dargebracht werden, so soll es nicht im Belieben des Gebers liegen, sie zu verteilen. Denn die Satzungen der heiligen Väter bestimmen, dass daraus vom Bischof vier Teile gemacht werden sollen. ... Daraus müssen nämlich die Almosen bereit gestellt werden, daraus muss der Kirchenbau und die Altarausstattung bezahlt werden ..." (Lit.: Bonifatiusbriefe). Zur Zeit Karls des Großen wurde er gesetzlich bestätigt und vollständig geregelt im Decretum Gratiani um 1140.

Regional unterschiedlich erhielten meist der Bischof, der Pfarrer, die Armen und das Bistum je ein Viertel des Zehents; ab dem 10. Jahrhundert bekam ein Drittel der Pfarrer und zwei Drittel der Bischof, der daraus die Armenfürsorge leisten und für den Bedarf des Bistums (Sachaufwand, fabrica ecclesiae) aufkommen musste. Durch das Eigenkirchenwesen (Grundherren besaßen Kirchen zu Eigen) und die Klöster als weltliche Grundherren wurde der Zehnte jedoch oft de facto zur weltlichen Abgabe - der Eigenkirchenherr erhielt zwei Drittel, der Pfarrer ein Drittel. Oft wurde der Zehnte auch verpachtet, und der Pächter bekam die Differenz zwischen dem Zehnten und den tatsächlichen Abgaben.


Der Zehnte im Mittelalter

Bauern mussten den zehnten Teil ihrer Ernte abliefern, Handwerker den zehnten Teil ihrer Produktion.

In Europa wurden zur Aufbewahrung in den Dörfern spezielle große Scheunen, die Zehntscheunen (im alemannischen Sprachraum Zehntscheuern), gebaut, die vielfach nach der Kirche die größten Bauwerke eines Dorfes darstellten. Zehntpflichtige Orte oder Höfe wurden auch als Zehntbesitz bezeichnet. Der Zehntbesitz wurde meist durch Kauf, Stiftung oder Schenkung erworben.

Ein einzelnes Kloster, wie Ebstorf in der Lüneburger Heide, konnte über 60 Dörfer im Zehntbesitz haben.

Im Mittelalter wurde der aus dem Alten Testament stammende Zehnt erweitert. Man unterschied zwischen Großzehnt und Kleinzehnt:

Daneben entwickelten sich weitere Zehntarten, die ebenfalls von Ort zu Ort unterschiedlich erhoben wurden:


Abschaffung des Zehnten

Nach der Reformation wurde der Zehnte in protestantischen Gebieten der Schweiz verstaatlicht - im Ausgleich dazu übernahm der Staat die finanzielle Verantwortung für die Kirchen. Das gleiche gilt für die skandinavischen Länder unter der Herrschaft Christians III. von Dänemark.

In der Schweiz wurde der Zehnte im 19. Jahrhundert mit der Bildung des modernen Bundesstaats abgeschafft.

Auch in Deutschland hielt sich der Zehnte noch bis ins 19. Jahrhundert. In vielen Fällen war die Abschaffung des Zehnten mit einer Ablösesumme verbunden, die in vielen Fällen zu starker und langer Verschuldung der Bauern führte.


Der Zehnte heute

Die Kirchensteuer beträgt in Baden-Württemberg und Bayern 8%, in den übrigen Bundesländern 9% der Einkommensteuer bzw. Lohnsteuer. Bei der Berechnung der maßgebenden Kirchensteuer/Lohnsteuer werden allerdings für Kinder grundsätzlich Kinderfreibeträge abgezogen und Einkünfte, die dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen, zu 100% angesetzt.

Freikirchen erwarten von ihren Mitgliedern in der Regel einen Zehnten als freiwillige Abgabe, wobei der tatsächlich gespendete Betrag normalerweise dem Einzelnen überlassen ist.

Quelle: Wikipedia